Bewegungswandern

"Könnte dich interessieren". Kennen Sie auch, oder? Ist erst mal bekannt, dass man auf zwei Bob-Dylan-Konzerten war und 4 alte Platten von ihm hat, könnte man an Dylan "interessiert" sein. Hat man ein Matchbox-Auto aus sentimentalen Gründen auf dem Bücherbord, könnte man an Modellautos "interessiert" sein. USW. - Weil ich gerne einen Fuß vor den anderen setze, dazu noch Schlafsack und Zelt dabei habe, muss ich wohl am "Wandern" "interessiert" sein, weshalb mich ein netter Mensch auf folgenden Artikel aufmerksam machte: Claudia Henzler, Bedeutung einer Bewegung, ein Artikel zur Ausstellung "Wanderland. Eine Reise durch die Geschichte des Wanderns" im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, aus der Süddeutschen Zeitung vom 28.11.2018.

Meine spontane Antwort:

Ich HASSE es. Ich hasse es, wenn schlichte Dinge, die man macht, mit einem Mal "Phänomen" und "Kulturtechnik" heißen. Ich hasse es, wenn man mir Wanderschuhe von Helmut Kohl, einen Strohhut von Hermann Hesse und ein Foto von Kästner mit Mutter zeigen will. Ich habe mit diesen Leuten nichts zu tun. Sie gehen mir am Arsch vorbei. Wahrscheinlich war Hitler auch ein Wanderbub. Die schiere Menge der Exponate sei beeindruckend. Das einzige, was in schierer Menge beeindruckend sein kann, ist Geld. Dass eine "Schau einen Fokus [legen]" kann, ist der sprachlichen Idiotie der Journalistin geschuldet - aber okay, das scheint heute geradezu eine Einstellungsvoraussetzung zu sein. Ach, da kommt ja schon Adolf: "Hitler ist eigentlich gar nicht gerne gewandert." Potzblitz! "Tatsächlich sei da [auf einem Foto]... nur ein Spaziergang zur Wanderung aufgewertet worden". Doppelpotzblitz. Beim Wandern muss anscheinend der Schweiß fließen, möglichst der deutsche, denn "in der Literatur wird Wandern oft als typisch deutsch bezeichnet". Mein Gott, das mir! Ich habe Jugendherbergen immer gehasst - sie waren aber das einzige, was neben Zelt und Bauernhöfen für Pfadfinder erschwinglich war. "Wandern ... ideologisch aufgeladen ... unter den" - nicht etwa von den - "Nationalsozialisten politisch missbraucht" - eine saudumme Floskel; die Nazis haben das Nationalgefühl gebraucht, nicht missbraucht, aber so etwas wird keine seriöse deutsche Zeitung zugeben, denn letztendlich bauen sie alle mehr auf ihr Deutschtum als auf Seriosität. Der Haupt-Satz, der die Journalistin als ewige Oberschul-Aufsatzerin kenntlich macht, ist folgender: "Der Weg durch die 1000 Quadratmeter große Ausstellungshalle ist selbst eine kleine Wanderung." Wunderhübsch. Dann Barlach, mein Gott! Der Pfaffe der Kunst. Kokoschka, der bedeutungsvoll sein wollende Grafiker. Der i-Punkt: GERMANISCHES NATIONALMUSEUM. Keinen Fuß in ein Gebäude mit solchem Namen, auch wenn ich noch so dringend aufs Klo müsste. - Bloß, weil ich gehe, bin ich nicht Teil einer Bewegung. Ich atme auch - wüßte aber nicht, dass ich einer Bewegung der Atmenden angehören sollte.

Vielen Dank für den Hinweis. Nach diesem Auskotzen fühl ich mich wieder gut. (2018)